Versetzen Sie sich in folgenden Fall: Ihr Patient klagt vor Gericht über ständige Kopfschmerzen seit der zahnärztlichen Behandlung.
Zur Verhandlung legen Sie die Patientenakte als Beweisstück vor. Aus dieser geht klar hervor, dass Ihnen nichts vorzuwerfen ist. Der Anwalt des Patienten geht nicht auf die Patientenakte ein. Er verlangt von Ihnen einen Nachweis, dass alle Dokumente¹ in der Patientenakte nicht manipuliert worden sind, da diesen sonst kein Beweiswert zukommt.
Warum das?
Im Patientenrechtegesetz wird seit Februar 2013 von jedem Arzt verlangt:
„Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.“
Welche Dokumente der Patientenakte sind betroffen?
- Dokumente, welche originär digital erstellt worden sind – z.B. in oder mit einem Softwareprogramm.
- Eingescannte Dokumente, die auf einem Computer bzw. digitalen Medium – z.B. einer Festplatte oder DVD – gespeichert sind.
Für diese Dokumente muss nachgewiesen werden, welche Änderungen wann stattgefunden haben, bzw. im Umkehrschluss, dass, wenn keine Änderungen aufgeführt sind, auch keine Änderungen stattgefunden haben.
Prüfen Sie, ob alle Eingaben in Ihrem Praxisverwaltungs- / Abrechnungsprogramm, Ihre Word-Dokumente, sowie eingescannte PDF-Dateien und Bildaufnahmen die Anforderungen des Veränderungsnachweises erfüllen.
Wie wird ein Gericht Dokumente bewerten, welche nicht manipulationssicher aufbewahrt wurden?
Den Dokumenten wird kein Beweiswert zugesprochen.
Grund:
Da nicht nachgewiesen werden kann, dass keine Manipulation stattfand, wird die gesetzliche Pflicht nicht erfüllt (siehe Auszug aus Urteil²).
Falls eine Patientenakte betroffen ist, und ihr in wesentlichen Bereichen keine Beweiskraft zugesprochen wird, sind vermutlich alle Akten gleichermaßen betroffen. Die Beweiskraft kann in diesem Fall auch nicht mehr rückwirkend hergestellt werden – Aber für die Zukunft.
Empfehlung zum sofortigen Handeln:
- Je länger Sie warten, desto länger ist der Zeitraum für welchen Sie sich entgegenhalten lassen müssen, dass manipuliert worden sein kann.
- Für diesen Zeitraum gilt die Unschuldsvermutung nicht.
- Die Beweislast, dass Dokumente nicht manipuliert worden, liegt ausschließlich bei Ihnen.
Was kann ärgerlicher sein, als einen Prozess zu verlieren, obwohl Sie sich nichts zu Schulden kommen lassen haben, außer dass Ihre EDV eben nicht manipulationssicher war?
Handeln Sie so schnell als möglich und sichern Sie sich für die Zukunft ab.
- Genügt Ihre IT-Umgebung den gesetzlichen Anforderungen ab dem kommenden Monat?
- Können Sie ab diesem Zeitpunkt nachweisen, dass nicht manipuliert worden ist?
Das ist entscheidend:
Erhalten Sie im darauf folgenden Monat Kenntnis, dass ein Patient Sie für eine fehlerhafte Behandlung zur Verantwortung ziehen will, haben Sie gute Karten.
Warum? – Zum Zeitpunkt, als Sie vom Vorwurf Ihres Patienten erfahren, genügt Ihre EDV bereits den Kriterien der Manipulationssicherheit. Auch wenn im Vorfeld die komplette Patientenakte hätte manipuliert werden können, müssten Sie über hellseherische Fähigkeiten verfügen – Das kann man wohl den meisten der geschätzten Leserschaft dieses Artikels nicht nachweisen.
Lassen Sie nicht unnötig Zeit verstreichen. Handeln Sie jetzt.
Kontaktieren Sie den Autor
Marcus Ehrenburg
ehrenburg@medi-tec.info
oder 0351 418 93660
*1 Unter Dokumenten sind nicht nur Briefe o.ä. zu verstehen, sondern jegliche Informationen, z.B. eingescannte Unterlagen, Word-Dokumente, Bilder oder Eingaben in Computerprogramme.
*2 Eine EDV-Dokumentation ohne Sicherung gegen Veränderungen ist nicht mehr zulässig und sollte auch keinen Beweiswert wie eine herkömmliche schriftliche Dokumentation ohne Änderungen haben, selbst wenn der Arzt nachvollziehbar darlegt, dass sie nicht nachträglich verändert wurde und dass sie medizinisch plausibel ist (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., 2014, B Rn. 204 m.w.N.). OLG Frankfurt am Main · Urteil vom 13. Januar 2015 · Az. 8 U 141/13; https://openjur.de/u/757002.html