Die hohe Inflation trifft Zahnarztpraxen, Mitarbeitende und Patient:innen. Die Kosten steigen, die Patient:innen zögern bei Zuzahlungen und Versorgungen. Was können Sie da schon tun? Eine ganze Menge. Von Aufräumen bis Shrinkflation – hier eine Checkliste.
1. Das Team stärken
An der Supermarktkasse kriegen gerade alle schlechte Laune, aber Ihre Mitarbeiter:innen dürften durch die Preise für Lebensmittel, Wohnen, Strom, Tanken derzeit in echte Existenznot kommen. Lassen Sie sie nicht hängen, sondern erwägen Sie proaktiv die Gehälter anzuheben oder Ihrem Team mit Einmalzahlungen über die kommenden Monate zu helfen. Erstens weil Sie damit als Chef:in zeigen, dass Sie Ihr Team mit seinen Sorgen wahrnehmen. Zweitens weil es Sie teurer kommt, wenn ein, zwei oder drei Mitarbeiterinnen Ihre Praxis verlassen, weil sie woanders besser bezahlt werden. Passiert das, werden Sie Ihre Behandlungen zeitweise zurückfahren müssen und der Umsatz sinkt. Außerdem entstehen Ihnen Folgekosten durch Suche und Einarbeitung neuer Mitarbeiter:innen. Sie können solche Einmalzahlungen oder Lohnsteigerungen durchaus an klare Leistungsanforderungen knüpfen. In jedem Fall sollten Sie Ihrem Team aber kommunizieren, dass alle gemeinsam daran arbeiten müssen, diese zusätzlichen Kosten auch wieder zu erwirtschaften – durch konzentriertes, effizientes Arbeiten, das die Umsatzentwicklung im Blick hat.
2. Für Klarheit im Team sorgen
Bringen Sie Ruhe in Ihre Praxis. In Zeiten, die an den Nerven zerren, kommt es schneller zu Konflikten. Je mehr potenzielle Reibungspunkte Sie beseitigen, desto mehr Kraft haben Sie und Ihr Team, die Praxis gemeinsam durch diese schwierige Phase zu steuern. Konkret heißt das: Klären Sie mit Ihren Mitarbeiter:innen erneut ab, wer welche Rolle und welche Aufgaben hat und wie die Prozesse in der Praxis laufen sollen. Wo werden Prozesse derzeit nicht eingehalten und warum nicht? Wo liegt die Lösung? Planen Sie regelmäßige Teamsitzungen ein, um Konflikte und Ungenauigkeiten sofort ausräumen zu können.
3. Alle Leistungen auch wirklich abrechnen
Theoretisch ist Ihre Dokumentation natürlich vollständig. Ist sie das wirklich? Im Alltag rutschen in vielen Praxen Leistungen durch – weil im Stress die Dokumentation vergessen wird oder weil Mitarbeiter:innen ohne entsprechende Qualifikation damit betraut werden. Leistungen, die nicht dokumentiert sind, haben aber abrechnungstechnisch nicht stattgefunden und werden nicht bezahlt. Das sind (Arbeits-)Kosten, die Sie unnötig zahlen, und Einnahmen, die leicht zu heben sind.
4. Das Terminbuch prüfen
Folgt Ihr Terminbuch eigentlich noch der Strategie, die Sie einmal festgelegt haben? Wie viele Kinder haben Sie in diesem Jahr behandelt? Halten Sie Ihre IP-Quote noch ein? Wie viele PSI-Befunde haben Sie – und folgen daraus auch Behandlungen? Wie sieht die PZR-Frequenz aus? Ein Ziel, das Sie sich und Ihrem Team setzen können, ist: Niemand geht hier ohne Folgetermin raus. Viele Praxen haben sich das schon auf die Fahnen geschrieben. Die Frage ist: Wie hoch ist die Quote tatsächlich?
5. Die PAR-Richtlinie nutzen
Unsere solvi-Auswertungen aus dem Sommer zeigen: Praxen, die die 2021 in Kraft getretene Parodontitis-Richtlinie aktiv nutzen, erzielen Umsatzsteigerungen von bis zu 80 Prozent in diesem Bereich. Die Gründe: Es kann mehr abgerechnet werden, die Stundensätze für die Behandlung sind gestiegen, und einiges kann an die Mitarbeiter:innen delegiert werden. Um das Potenzial auszuschöpfen, sollten Sie sich intensiv mit der Richtlinie auseinandersetzen, Ihre Patient:innen systematisch darauf untersuchen, ob sie diese Behandlung benötigen, und sie über ihren eigenen Nutzen aufklären.
6. Aufräumen bei den Praxiskosten
Werfen Sie finanziellen Ballast ab und trennen Sie sich von Ausgaben, die Sie weder brauchen noch sich gerne gönnen. Gehen Sie einmal durch sämtliche wiederkehrende Kosten in Ihrer Praxis und bilden Sie dabei gedanklich drei Stapel wie beim Klamotten-Ausmisten: Welche Ausgaben sind unumgänglich? Welche Ausgaben brauche ich gar nicht mehr? Bei welchen Ausgaben bin ich mir unsicher? Gruppe zwei bitte gleich kündigen. Gruppe drei können Sie sich nach drei Wochen noch mal ansehen und mit dem Abstand entscheiden: behalten oder loswerden.
7. Aufräumen in den Praxisschubladen
Es klingt total banal, aber Unordnung kostet Zeit und Nerven, die dann an anderer Stelle fehlen – zum Beispiel bei der Dokumentation… Vor allem Instrumente, die eher selten benutzt werden und deshalb nur einmal in der Praxis vorhanden sind, landen schnell an falscher Stelle. Ganz schwierig wird es, wenn die Suche während einer Behandlung losgeht. Deshalb: Sorgen Sie für klare Prozesse. Ihr Team sollte vor Behandlungen alle notwendigen Instrumente bereitlegen und hinterher ordentlich wegräumen. Kleine Anpassungen wie diese summieren sich zu größeren Effizienzeffekten, die sich finanziell auszahlen.
8. Preisanstiege weitergeben
Wenn Ihre Kosten steigen, ist es legitim, dass Sie auch Ihre Honorare erhöhen. Sie sollten es Ihren Patient:innen aber offen mitteilen und gut erklären – dann können Sie auch auf Verständnis hoffen. Für Patient:innen, die derzeit vor privat zu zahlenden Behandlungen zurückschrecken, können Sie Ratenzahlungen anbieten. Das ist ein guter Kompromiss, um medizinisch sinnvolle Behandlungen nicht auf die lange Bank zu schieben und der Gesamtsumme die Wucht zu nehmen.
9. Shrinkflation: die Margarine-Taktik
Als Verbraucher finden wir das ziemlich ärgerlich: wenn Hersteller uns Mogelpackungen unterjubeln. Stichwort: Shrinkflation – das heißt, Verpackungsgröße und Preis bleiben gleich, aber der Inhalt schrumpft, und auf einmal ist ganz viel Luft im Margarine-Becher. Klingt unsympathisch, wird aber häufig gemacht: Der Friseur kürzt die Kopfmassage ab, Bahnkunden ziehen sich ihre Tickets selbst, Restaurants streichen das kostenlose Brot. Und auch für Sie kann es ein Weg sein, wenn Ihre Patient:innen keine höheren Preise zahlen können oder wollen. Dann könnten Sie überlegen, ob Sie zum Beispiel die Prophylaxe weiter zum bisherigen Preis anbieten, aber die Behandlungszeit kürzen können oder kleine Extras sparen. Ohne dadurch den medizinischen Standard zu reduzieren, versteht sich.
10. Sparen
Ja, Geld ausgeben macht mehr Spaß, als sich Ausgaben zu verkneifen. Aber im Moment ist die gute alte Kostendisziplin gefragt und deshalb die spaßbefreite Frage vor jeder Anschaffung: Brauche ich das wirklich? Auf Investitionen sollten Sie keinesfalls verzichten, sofern Ihr Budget sie hergibt – sonst sparen Sie sich womöglich in eine Negativspirale. Für alles andere lautet unser Tipp: Bevor Sie auf „Bestellen“ drücken, warten Sie drei Tage. Oft ist der Impuls dann schon verflogen. Und wenn nicht: Go for it!
Diese Tipps stammen aus der Aufgebohrt-Folge 72, in der solvi-Ko-Chef Christian Brendel mit Dr. Susanne Woitzik und Dr. Andras Janke von Die ZA eG über die Lage von Zahnarztpraxen in der Inflation gesprochen hat. Reinhören lohnt sich!